Laudatio für die Preisvergabe am 24. September 2022 bei „Tatort Eifel“, gehalten vom Jurymitglied Prof. Dr. Jürgen Hardeck, Staatssekretär Rheinland Pfalz
Wir Deutschen haben eine Schwäche für die Österreicher (…). Wir beneiden die Österreicher in Ihren TV-Produktionen auch oft – und leider zu Recht – um ihren schwarzen Humor und ihre Abgründigkeit, um ihre Ecken und Kanten, um ihre Mehrdimensionalität, (…), und natürlich nicht zuletzt um ihren arroganten sexy „Wiener Schmäh“. Eine der schillerndsten Personen, auf die das alles zutrifft, ist der bereits vielfach ausgezeichnete Wiener Burgschauspieler und Salzburger „Jedermann“-Darsteller Nicholas Ofczarek.
Spätestens seit der „Tatort“-Folge „Die Geschichte vom bösen Friederich“, in der er einen gemeingefährlichen Dämon mimte, dürfte Nicholas Ofczarek in Deutschland ein Begriff sein. Trotz seines intensiven, urgewaltigen Auftretens und seiner beeindruckenden Körperlichkeit ist er nicht auf die Täterrolle abonniert – im Gegenteil. Ofczarek spielte und spielt auch gerne den Kommissar – und ist sich auch nicht zu schade für eine schillernde Nebenrolle, aus der er dann wieder das äußerst Mögliche herausholt. Ja, er hat offenbar einen Hang zu kaputten Typen, die schon tief genug in den Abgrund gesehen haben, oft, ohne letzten Endes das Gute und Gerechte aus den Augen zu verlieren.
So zum Beispiel in der aus der großen Masse der Serien herausragenden Sky-Serie „Der Pass“. Im Pennerlook rotzt er dort als Kommissar Gedeon Winter mit für uns Piefkes manchmal nur schwer zu verstehenden Wiener Dialekt eine Extraportion Zynismus raus, um genau dadurch zum Mentor für die äußerlich aufgeräumte deutsche Kollegin zu werden – und sie zugleich auf der düsteren Seite willkommen zu heißen. Spätestens in der Szene in der ersten Folge, wo er – sich immer mehr volllaufen lassend, Wolfgang Ambros „De Kinettn wo i schlof.“ mitgrölt, hat dieser kaputte Kommissar unsere volle Aufmerksamkeit – und fasziniert uns bis zum bitteren Schluss.
Den Detektiv Julian H., den er in der Serie „Die Ibiza Affäre“ verkörpert, bezeichnete Ofczarek selbst als mit Gedeon Winter verschwägert. In der Tat ähneln sich die verhaltensauffälligen Figuren, die oftmals eine Zumutung für ihr Umfeld sind, in ihrem Mut zur Hässlichkeit, in ihrer Coolness, Eleganz und in ihrem aberwitzigen Humor.
Man reibt sich die Augen, wenn Ofczarek im von uns ebenfalls ausgezeichneten Mehrteiler „Das Geheimnis des Totenwaldes“ in reinstem Hochdeutsch – erst mit Miniplis, dann seriös gealtert – den deutschen Großunternehmer Robert Neder spielt. Ein Normalo, der gut daran tut, nicht auszurasten, um sich nicht noch mehr in den Fokus der Ermittler zu rücken. Es ist wie fast immer bei Ofczareks TV-Rollen: Man traut ihm alles zu, und er wirkt immer erst einmal verdächtig, oft sogar bedrohlich. Dann spürt man aber schon bald – zunächst ganz subtil – die Gebrochenheit dieses Robert Neder, weil es Ofczarek gelingt, das Leid unter der Oberfläche, ganz ohne große Geste intensiv spürbar zu machen.
Er ist also nicht nur ein Wüterich, der Ofczarek, auch wenn wir diese Seite ganz besonders an ihm schätzen. Ist er doch einer, der – natürlich nur auf der Bühne oder im Film – Dinge, sagt, tut – also auslebt, die man sich selbst oft verwehrt. Einer, der die Wahrheit sagt, auch wenn er dran zerbricht. Einer, der unglaublich bedrohlich und im nächsten Moment unglaublich komisch sein kann. Seine Grenzüberschreitungen, seine provokant in Szene gesetzte Körperlichkeit, seine Zärtlichkeit, die durch die zerbrochene Oberfläche schimmert, für all das – und einiges mehr – lieben und bewundern wir ihn. (…)
Gedeon Winter, Julian Hessenthaler und Robert Neder sind nur einige Figuren, mit denen Nicholas Ofczarek die deutsche Krimilandschaft der letzten Jahre geprägt hat. Es gab noch viel mehr und wird hoffentlich noch viel mehr von ihm im deutschen Fernsehen zu sehen sein.
Die Jury war sich einig in ihrer Begeisterung für diesen großen Schauspieler. Folgerichtig geht der ROLAND-Filmpreis 2022 für seine herausragenden schauspielerischen Leistungen in den Krimiserien „Der Pass“, „Das Geheimnis des Totenwaldes“ und „Die Ibiza-Affäre“ an Nicholas Ofczarek.