Nicholas Ofczarek und Philip Peschlow erhalten den Grimme-Preis 2020 für „Der Pass“

Grimme-Preis für Der Pass für Nicholas Ofczarek und Philip Peschlow

Begründung der Jury:

„Der Pass“ führt das Publikum nicht nur in eine eiskalte Alpenlandschaft, sondern auch aufs Glatteis. Zu Beginn der Thrillerserie scheint alles nach altbewährtem Muster abzulaufen. Eine sonderbar inszenierte Leiche, die auf einen Täter mit großem Aufmerksamkeitsdefizit schließen lässt; ein ungleiches Ermittlerteam, bei dem Spannungen vorprogrammiert sind; ein Verdächtiger, der zwar abstoßend, aber kein Mörder ist.

In nur zwei Folgen haben die Autoren und Regisseure Cyrill Boss und Philipp Stennert die vorhersehbaren Erwartungen an das Genre geweckt, etabliert und dann abgefrühstückt. Spätestens ab Folge 3 verschiebt sich das gesamte Gefüge. Der Mörder wird eingeführt und verliert sein Etikett: Aus dem Krampusmörder wird Gregor Ansbach, großartig gespielt von Franz Hartwig. Da Ansbach die Ermittlungen digital verfolgt, ist er der Polizei immer einen Schritt voraus, zusammen mit den Zuschauerinnen und Zuschauern. Das Publikum wird nicht nur Zeuge der Taten, sondern durch den Informationsvorsprung auch zu Komplizen des Mörders. Damit wird aus dem anfänglichen Rätsel, wer der Mörder ist, Suspense und zur Neugier, wie es weitergeht, gesellt sich die Angst um Ellie Stocker.

Der Thriller entwickelt einen ungeheuren Sog und lotet gleichzeitig die Möglichkeiten des Genres auf multiplen Ebenen aus. Besonders die Figurenzeichnung ist bemerkenswert und so nicht oft im deutschen Fernsehen zu sehen. Denn trotz temporeicher Aktionen lässt die Serie den Figuren viel Zeit, sich zu entwickeln und ihren Facettenreichtum zu zeigen. Einmal fängt Gedeon Winter in seinem Stamm-Kaffeehaus unerwartet an, lauthals zu singen. Die Jagd nach dem Mörder gibt dem Leben des abgehalfterten Kommissars wieder einen Sinn. Gleichzeitig bleibt er eine zutiefst traurige Figur, die ihrer Geschichte nicht entkommt. Die Nuancen dieses komplexen Charakters werden von Nicholas Ofczarek fulminant verkörpert. Auch Julia Jentsch stellt die zunehmende Verletzlichkeit der vom Leben gezeichneten Ellie Stocker vielschichtig und eindringlich dar. Sogar der Mörder erhält durch alltägliche Verrichtungen eine menschliche Seite, ohne dass seine Monstrosität verharmlost wird.

Für das regionale Setting in alpenländischer Kulisse und mit dem Leitmotiv des Krampus entwickelt Philip Peschlow (Kamera) eine eiskalte Bildsprache. Hier heimelt nichts, die frostigen Panoramen wirken unterstützt von der atmosphärischen Musik majestätisch, kalt und unheimlich. „Der Pass“ ist eine Serie auf höchstem Produktionsniveau, ein Vorbild für den Produktionsstandort Deutschland.

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