„Wir wären andere Menschen“ mit Matthias Brandt
Auszug aus der Jury-Begründung:
Wir wären andere Menschen ist ein großartiger und packender Film, der das Thema Polizeigewalt in die deutsche Provinz verlegt. Seziert wird, wie sich Gewalterfahrungen auf Menschen sowie deren Beziehungen auswirken und sogar in Orte einschreiben. Die erstarrten Strukturen der Provinzgesellschaft, in der jede*r jede*n vermeintlich kennt, sorgen dafür, dass der eskalierte Polizeieinsatz nicht vergessen werden kann. Das Trauma wird zementiert, weil die Tat durch Polizei und Justiz nicht aufgearbeitet wird und stattdessen die beiden Polizisten freigesprochen werden. Beide können ihr Leben weiterleben, während Ruperts Leben aufhört, bevor es richtig begonnen hat. Diesen Anachronismus zwischen Stillstand des Lebens und Älterwerden spielt Matthias Brandt so überzeugend und mit solch einer unglaublichen Tiefe, dass der traumatisierte Junge im Erwachsenenkörper immer wieder sichtbar wird.
„Drinnen – Im Internet sind alle gleich“ mit Lavinia Wilson
Auszug aus der Jury-Begründung:
„Drinnen“ ist ein Meisterstück in Sachen Minimalismus – noch nie zuvor ist es einer deutschen Produktion gelungen, derart kreativ und schlüssig die Werkzeuge des Büromenschen 3.0 in einer Erzählung zu bündeln. Das in unseren Tagen so viel beschworene Mobile Office wird zum originären Filmsetting, so wie es die Wüstenlandschaft in einem Western ist oder der Weltraum in einem Science-Fiction-Abenteuer. Die Möglichkeiten des Erzählens scheinen unendlich, auch aus der seelischen Beengtheit der Corona-Gegenwart heraus. Kleines Bildformat, große Fernsehkunst.
„Für immer Sommer 90“ mit Christina Große
Auszug aus der Jury-Begründung:
Die Jury würdigt die herausragende Einbindung des aktuellen gesellschaftlichen Zustandes: ein Land unter der Corona-Pandemie, nicht zum Thema erklärt, sondern im Spiel bearbeitet. Von einer unbeholfenen Umarmung, der vergessenen Maske bis zum privaten Corona-Hilfsscheck finden sich viele weitere Momente des neuen Alltags. Die vom Autoren- und Regieteam Charly Hübner, Lars Jessen und Jan Georg Schütte dafür eingesetzten Improvisationen geben einer fiktionalen Bearbeitung von unmittelbarem Zeitgeschehen den nötigen Spielraum. Und so bleibt eine sich authentisch entwickelnde Fernseharbeit in Erinnerung, die zu 30 Jahren Deutscher Einheit unbearbeitete Geschichte, gewandelte Gegenwart und gedachte Zukunft auffächert. Für uns Zuschauer*innen bleibt Raum für Assoziatives und selbst Erfahrenes.
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